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Weiterbildungskurs zu Notfallpädagogik: From Crisis to Chance

Kinder und Jugendliche zu unterrichten, die traumatische Ereignisse erlebt haben, kann enorme Herausforderungen mit sich bringen. In Zusammenarbeit mit der portugiesischen Spin Association und des deutschen Vereins Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. konnten Fachkräfte der Jugendarbeit aus acht verschiedenen Ländern lernen, wie Konzepte der Notfallpädagogik angewendet werden und wie sie das psychische Wohlergehen junger Menschen in ganz Europa verbessern können.

Für mich bedeutet Partizipation die Bereitschaft, zu lernen und Kompetenzen, Werkzeuge und Wissen mit anderen für die Weiterentwicklung der Gemeinschaft zu teilen.
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Sara Segurado Projektkoordinatorin

Die Projektkoordinatorin Sara Segurado erzählt uns mehr über die faszinierende Weiterbildung:

Wie definierst du Notfallpädagogik?

Bei der Notfallpädagogik handelt es sich um einen Ansatz, der hauptsächlich in der Waldorfpädagogik und von Fachkräften in notfallpädagogischen Einsätzen angewendet wird. Der Ansatz basiert auf Methoden der Waldorfpädagogik und verwandten Therapieformen. Da Notfallpädagogik zur Entlastung und Stabilisierung eingesetzt wird, bietet sie neue Handlungsmöglichkeiten für Fachkräfte in Pädagogik, Ausbildung und Jugendarbeit, besonders wenn sie mit von einer Posttraumatischen Belastungsstörung bedrohten Jugendlichen zusammenarbeiten.

Wie kamst du darauf, die Methode mit Erasmus+ zu verbinden?

Nach einem fürchterlichen Flächenbrand in Portugal kontaktierten uns Lehrkräfte und baten um Hilfe für traumatisierte Schüler/-innen. Viele Menschen hatten ihr Zuhause verloren oder waren umgekommen. Es war eine Katastrophe. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Land kein notfallpädagogisches Team. Daher nahm ich Kontakt zum deutschen Verein Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. auf. Wir konnten den Verein nicht sofort miteinbeziehen. Unser Netzwerk wollte jedoch Methoden für ähnliche Situationen in der Zukunft entwickeln. Daher beschlossen wir, ein Projekt inklusive einer sechstägigen Weiterbildung zu planen.

An wen richtet sich die Weiterbildung?

An Fachkräfte der Jugendarbeit. Junge Menschen in Lernangebote einzubinden ist häufig herausfordernd. Es kann extrem hilfreich sein, wenn man die Blockaden kennt, die zu verschiedenen Verhaltensweisen führen. Wir richteten uns an Fachkräfte der Jugendarbeit, die mit Geflüchteten, Erdbebenopfern, in Straßenprojekten usw. arbeiteten. Wir wollen zudem Fachkräfte erreichen, die selbst traumatische Erfahrungen durchlebt hatten. So war eine Person im Projekt aus Syrien geflüchtet und arbeitete nun im Bereich der Kulturmediation in Lissabon.

Wie habt ihr das Projekt geplant?

Unsere NRO Spin kümmerte sich um den Entwurf und die Ausschreibung für Partnerorganisationen, in der unsere Hauptziele beschrieben wurden. Dann erstellten wir eine ‚Absichtserklärung‘ mit den verschiedenen Aspekten der Projektkommunikation, Sichtbarkeit und Verbreitung sowie einen 14-monatigen Ablaufplan. Unsere Partnerorganisationen gaben Feedback und arbeiteten gemeinsam am Antrag. Wir hatten das Glück, dass wir den Begründer des Notfallpädagogikkonzepts, Bernd Ruf, sowie zwei seiner Kolleg/-innen aus dem Verein Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. für die Hilfe bei den Workshops gewinnen konnten.

Wie habt ihr Organisationen für die Zusammenarbeit gefunden?

Wir sind vielen bekannt und haben über die Jahre eine lange Liste an Partnerorganisationen entwickelt. Dazu nutzen wir häufig Plattformen wie Otlas, um neue Organisationen ausfindig zu machen. Wobei dieses Projekt hier eine Ausnahme ist. Da wir ein neuartiges Konzept einführen wollten, entschieden wir uns dafür, mit uns bekannten und vertrauten Partnerorganisationen zusammenzuarbeiten. Natürlich wollten wir NROs einbeziehen, die mit gefährdeten Jugendlichen arbeiten, und haben uns auf Länder ohne Erfahrungen mit Notfallpädagogik konzentriert.

Wie habt ihr die Teilnehmer/-innen ausgewählt?

Nachdem der Projektantrag Ende 2018 genehmigt worden war, starteten wir mit der Vorbereitung. Zusammen mit den Partnerorganisationen entwickelten wir ein Bewerbungsformular für die Teilnehmer/-innen. Die Auswahl geschah durch die Partnerorganisationen. Spin gab dann das finale OK. Um in die Auswahl zu gelangen, mussten alle Kandidat/-innen bereit sein, mindestens einen Artikel über das Projekt schreiben und mindestens eine Multiplikatorenveranstaltung organisieren. Wir verpflichteten uns dazu, offene Sitzungen zum Austausch durchzuführen, bei denen die Teilnehmer/-innen Workshops leiten und ihr Fachwissen weitergeben konnten.

Wie wurden die Teilnehmer/-innen in die Aktivitäten mit einbezogen?

Wir mussten uns nicht sehr anstrengen, da alle Teilnehmer/-innen sehr motiviert waren. Wir teilten so viele Informationen zur Weiterbildung wie möglich vorher mit. Unser Partnerorganisationen boten Einführungstermine an, um die Teilnehmer/-innen vorzubereiten. Außerdem erstellten wir eine geschlossene Facebook-Gruppe, in der wir die Teilnehmer/-innen darum baten, ihre Erfahrungen zu teilen. Das half sogar den zurückhaltenden Teilnehmer/-innen, nach der Weiterbildung ihr neu erworbenes Wissen in ihren Heimatländern anzuwenden.

Wie war das Programm strukturiert?

Wir begannen jeden Morgen mit Liedern zum Lockerwerden. Auf die Sitzungen zu theoretischen Konzepten folgten praktische Sitzungen. Über den ganzen Tag verteilt gab es Kaffee-, Essens- und Erholungspausen. Wir schlossen mit Feedbackrunden ab. Die Reflexion des Gelernten geschah über Zeichnungen, Gesten und Vorführungen. Wir ermutigten die Teilnehmer/-innen, ein Tagebuch zu führen. Dieses sollte zur Unterstützung für das Youthpass Zertifikat, die Artikel und Multiplikatorenveranstaltungen dienen. Zusätzlich erhielten sie am Ende eine Teilnahmebescheinigung, dass sie das erste Modul des offiziellen Lehrgangs der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. absolviert hatten.

Kannst du uns einige Beispiele für die Aktivitäten nennen?

Wir begannen die Woche mit einem Geschichtenabend für alle. Hier konnten die Teilnehmer/-innen eine Geschichte kreativ erzählen. Dann gab es eine ‚NRO-Messe‘, bei der die Teilnehmer/-innen ihre Arbeit sowohl untereinander als auch den Vereinen vorstellten. Die Europäische Universität Lissabon veranstaltete ein Filmforum. Bernd Ruf präsentierte hier kurze Videos über seine internationale Arbeit. Man konnte hier auch ein Exemplar von Herrn Rufs Buch erstehen und sich für unseren Newsletter anmelden.

Über welche anderen Kanäle habt ihr eure Ergebnisse zusätzlich veröffentlicht?

Das Projekt wurde in einem sozial benachteiligten Viertel von Lissabon durchgeführt. Spin versucht, das negative Bild des Viertels zu verändern. Die Stadtverwaltung hat uns erlaubt, eine alte und verlassene Schule in einen Gemeinschaftsort umzuwandeln, an dem das Spin Hostel gebaut wurde. Nach jedem sozialen, Freizeit- oder Bildungsprojekt, das wir hier durchführen, bitten wir die Gruppen, etwas an die Gemeinde zurückzugeben. Eine Gruppe hat mal kostenlose Umarmungen angeboten. Die Gruppe aus der Notfallpädagogik-Weiterbildung organisierte eine Ausstellung zu ihrer Arbeit mit Musik- Bewegungs- und Kunsttherapie.

Welche Schwierigkeiten gab es während des Projekts?

Der Zyklon Idai hatte kurz vor Beginn der Weiterbildung in Mosambik gewütet. Zwei unserer Coachingkräfte waren Teil des dorthin entsandten notfallpädagogischen Teams. Wir fanden zwar sofort Ersatz, trotzdem mussten die neuen Coachingkräfte in aller Kürze eingearbeitet werden. Zum Glück konnten wir sie mit Hilfe von Spin und Bernd Ruf gut unterstützen.

Wie sind die Teilnehmer/-innen mit der Covid-19 Pandemie umgegangen?

Viele Jugendarbeiter/-innen konnten während des Lockdowns nur online Kontakt zu ihren Klient/-innen halten. Daher mussten sie neue Möglichkeiten finden, um Strategien zu mehr Innere Ruhe zu vermitteln. Wir rieten ihnen, mehr Kunst, Musik und viele verschiedenen Entspannungsmethoden einzusetzen.

Hast du Ratschläge für andere, die vorhaben, ein erfolgreiches Projekt durchzuführen?

Es ist essenziell, dass es die Möglichkeit gibt, Methoden zu diskutieren und Erfahrungsberichte auszutauschen. Daher solltet ihr sicherstellen, dass euer Projekt dies enthält. Es ist immer gut, sich über die Sichtbarkeit des Projekts Gedanken zu machen. Obwohl es großartige Kanäle wie SALTO gibt, kennen Fachkräfte der Jugendarbeit nicht immer die Methoden und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Welche Anregungen hast du für andere Jugendarbeiter/-innen?

Bevor man anderen helfen kann, ist es wichtig, dass man die eigene Mitte gefunden hat und sich der eigenen psycho-soziale Hygiene bewusst ist. Traumata können sich übertragen. Die tägliche Auseinandersetzung kann auch uns beeinflussen. Daher müssen wir uns gut um uns selbst kümmern. Auch hilft das Lernen über Notfallpädagogik und das Verstehen von der Entstehung von Traumata dabei, eine Verstärkung zu verhindern.

Gibt es Nachträge?

Die Gruppe in Portugal, die inzwischen mehr als 100 Mitgliedern zählt, hat das erste Modul eines Weiterbildungskurses in portugiesischer Sprache erstellt, der bereits online verfügbar ist. Außerdem organisierte sie im Februar einen Offline-Workshop, an dem viele Pädagog/-innen teilnahmen. Wir planen, die Weiterbildung auch in anderen Ländern durchzuführen.

Wow!

Das Projekt stellt den ersten Versuch dar, den Wert der Notfallpädagogik in der Jugendarbeit aufzuzeigen. Da die Weiterbildung so konzipiert wurde, dass sie leicht in vielen Ländern umgesetzt werden kann, hat das Projekt ein großes Publikum erreicht. Das erste Modul ist schon online auf Portugiesisch verfügbar!

Projektkoordinatorin

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Sara Segurado

Seit 2008 ist Sara bei Spin Koordinatorin für internationale Projekte. Seit 2005 leitet sie soziale und Bildungsprojekten auf internationaler Ebene. Während ihrer 15-jährigen Berufserfahrung im Projektmanagement hat sie verschiedene Aufgaben übernommen: Sie arbeitete als Trainerin, Leiterin, Mentorin, Projektkoordinatorin, Eurodesk-Beauftragte und war immer zuständig für die Verbindung mit Partnerorganisationen, Spenden und institutionellen Ansprechpartnern. Sara hat einen Abschluss in Rechtswissenschaften und ist spezialisiert auf Europa-, Einwanderungs- und Asylrecht. Zusammen mit ihrem Master-Abschluss in Migration verleiht das der Gestaltung und Umsetzung von Projekten einen besonderen soziokulturellen Wert. In den vergangenen Jahren hat sie mehrere NROs mitbegründet, geleitet und technisch unterstützt.

Projektergebnisse

Schau dir die Hauptaktionen und Workshops der Weiterbildung an!

Videogeschichte

Der Kurzfilm ist eine tolle Möglichkeit, das Projekt mit der Welt zu teilen und die Teilnehmer/-innen daran zu erinnern, was sie selbst gelernt und miteinander geteilt haben.

Lösung ansehen

Über das Projekt

Supported by:

Erasmus+ / Mobilität von Fachkräften

EU Jugendprogramm Priorität:

Inklusion und Diversität

Topic:

Kompetenzentwicklung und freiwilliges Engagement

Sichtbarkeit:

Werbung für das Projekt wurde durch Veranstaltungen wie das Filmforum und die NRO-Messe gemacht. Außerdem schrieben alle Teilnehmer/-innen einen Artikel und organisierten eine Folgeveranstaltung nach dem Kurs! Von den Teilnehmer/-innen erstellte Videos und eine E-Broschüre verstärken die Sichtbarkeit des Projekts.

Autor

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Lilla Gősi

Lilla Gősi is a freelance journalist and trainer. She writes, draws and uses the combination of these two for telling stories and creating non formal educational activities. She graduated in Communication and Media and History of Art. She has been publishing since 2012 in the most popular Hungarian weekly magazine, Nők Lapja. She is an active blogger. She loves working with groups and asking questions. She comes from Hungary and lives in Italy since 2017. She participated in several European training, exchange and volunteering projects. The main issues she cares about: promoting sustainability, critical thinking, inclusion and art. In her free time, she enjoys art, culture and travelling related activities.