Mein Name ist Sara Ibrahimi, ich bin 28 Jahre alt und war sowohl bei Idee in Comune als auch bei Europa in Comune mit dabei. Idee in Comune teilte sich in zwei Teile auf: einen theoretischen und einen praktischen Teil. Für mich entstanden die bedeutsamsten Lernmomente dadurch, dass wir die Möglichkeit hatten, mit anderen jungen Menschen gemeinsam an einem konkreten politischen Antrag zu arbeiten Durch diese Erfahrung konnte ich mit der Kommune zusammen das zweite Projekt auf die Beine stellen und lernen, wie hilfreich non-formale Bildung ist. Das hat mich sehr inspiriert. Durch die Spiele und Diskussionsrunden konnte ich verstehen, wie der Verwaltungsapparat funktioniert und dass es eine ganz neue Methodik gibt, um mit jungen Menschen zu sprechen.
Beteiligen, involvieren und aktiv werden – Idee in Comune ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Politik und junge Menschen zusammenkommen können! Das Projekt schafft für junge Menschen einen sicheren Raum, an dem sie über Politik diskutieren, sich in demokratische Prozesse einbringen und aktive Bürger Europas werden können.
Teilhaben und Mitwirken bedeutet, sich in die Gesellschaft einzubringen. Es bedeutet, die eigene Beziehung zur Gesellschaft zu verstehen. Es bedeutet, die gesellschaftlichen Regeln kennenzulernen und, wenn man mit ihnen nicht einverstanden ist, nach Möglichkeiten der Verbesserung zu suchen.
Idee in Comune zeigt, dass junge Menschen in der Welt der Politik ernst genommen werden können, dass sie ihre Ideen mitteilen und Entscheidungsträger/-innen zum Zuhören bewegen können. Gloria Lombardo, die Projektkoordinatorin von Idee in Comune, erklärt wie:
Was war die wichtigste Lernerfahrung für junge Menschen während des Projekts?
Idee in Comune gibt Menschen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden. Sie können sich so vorstellen, dass man sie in der Welt der Politik ernst nimmt. Und sie lernen zu verstehen, dass es in der Politik nicht um Korruption geht. Es geht darum, mehr Kontrolle über das eigene Leben und das Leben in den Gemeinden zu haben. Es war erstaunlich zu sehen, wie junge Menschen, die in der Schule in Schubladen wie ‚schwierig‘ oder ‚gefährlich‘ gesteckt wurden, in der Lage waren, eine andere Seite von sich zu zeigen. Manche waren überzeugt, sie könnten nie mit einem Bürgermeister sprechen. Nachdem sie an unserem Projekt teilgenommen hatten, entschieden sich einige sogar, bei den Kommunalwahlen zu kandidieren.
Was ist Ihr Schlüssel zum Erfolg? Wie haben Sie es geschafft, junge Menschen für das Projekt zu begeistern?
Wir haben vor Ort Arbeitsgruppen gegründet. Durch non-formale Bildungsangebote, Simulationen und Spiele konnten junge Menschen aktiv diskutieren und sich an der Entwicklung demokratischer Prozesse beteiligen. Wir haben erklärt, wie auf kommunaler Ebene gearbeitet wird. Die Jugendlichen bildeten experimentell Beratungsausschüsse, in denen sie ihre Ideen austauschten. Sie lernten, wie man einen Finanzhaushalt plant, Präventivmaßnahmen ergreift, Anträge auf Bewilligung stellt und Arbeitsvorgänge verbessert. Der Bürgermeister der Gemeinde Ospitaletto in Italien war nach einem Treffen mit unseren Projektteilnehmer/-innen von deren Arbeit so beeindruckt, dass er einige ihrer Vorschläge in sein neues Wahlprogramm aufnahm. So ernannte er z. B. nach seiner Wiederwahl eine Lehrkraft zur Europäischen Projektberatung mit dem Auftrag, junge Menschen bei der Mitwirkung an internationalen Projekten zu unterstützen.
Wie würden Sie die Zielgruppen von Idee in Comune beschreiben?
Idee in Comune besteht aus fünf Partnerorganisationen aus vier Regionen in Italien, mit ähnlichen Bedürfnissen und Zielpublikum. Die Teilnehmer/-innenzahl setzte sich aus 50 jungen Menschen aus jeder der vier Regionen sowie ungefähr 20 Politiker/-innen zusammen. Unsere Region, die Lombardei, wird zwar generell als wohlhabende Region betrachtet, allerdings sollte dabei mehr berücksichtigt werden, was ‚Wohlstand‘ bedeutet. Wir haben hier viele Jugendliche, die nicht zur Schule gehen. Sie haben kein Interesse an internationalen Projekten und Auslandsaufenthalten und ohne Bildungsangebote fehlt einem die Perspektive, die übrige Welt wertzuschätzen. Hinzu kommen viele junge Menschen mit Migrationshintergrund, die zwar hier aufgewachsen sind, trotzdem aber nicht wirklich als Teil der italienischen Gesellschaft betrachtet werden. Wieder andere Teilnehmer/-innen in unserem Projekt stammen aus schwierigen Familienverhältnissen. In der Zusammenarbeit mit jungen Menschen, die das Privileg genießen, zu studieren, wurde ein Forum gegründet, das weiter besteht. Unter den Teilnehmer/-innen war ein Junge aus Ghana, der immer stottern musste, wenn er Italienisch sprach. Ihm fiel es wesentlich leichter, auf Englisch zu kommunizieren. Also schrieb er seine Ideen und Vorschläge zur Jugendpolitik auf ein großes Blatt Papier.
Was war die größte Herausforderung im Projekt?
Die größte Herausforderung war es, die jungen Menschen, Organisationen, öffentliche Verwaltungen und Politiker/-innen an einen Tisch zu bringen. Überraschenderweise war es nicht schwierig, Jugendliche von der Teilnahme am Projekt zu überzeugen. Die Suche nach Politiker/-innen, die bereit waren, sich auf unsere Projektteilnehmer/-innen einzulassen und sie zu unterstützen, gestaltete sich deutlich schwieriger. Letztendlich konnten wir das Problem lösen, indem wir eine formelle Einladung an die Kommune sendeten. Daraufhin konnten wir Gemeindevertreter/-innen besuchen und ihnen unsere Ziele erklären. Auch wenn wir nicht immer Erfolg hatten, konnten wir einige Entscheidungsträger/-innen davon überzeugen, am Projekt teilzunehmen.
Wie ging es nach Projektende weiter?
Wir haben ein neues Projekt, Europa in Comune, ins Leben gerufen. Dabei haben wir ein weiteres Mal mit Vertreter/-innen der Kommune, Verwaltungsangestellten und jungen Menschen zusammengearbeitet. Dieses Mal konzentrierten wir uns jedoch noch stärker auf einen tatsächlichen Wandel und die Umsetzung von Ideen. Wir haben drei Veranstaltungen in sechs verschiedenen Städten sowie zehn Gesprächsrunden organisiert und durchgeführt. Es wurden zehn sehr unterschiedliche Projekte initiiert, wie z. B. ein öffentlicher Bereich, an dem sich junge Menschen treffen und künstlerisch aktiv werden können, ein Jugendausschuss, der sich um die Vertretung lokaler Jugendbeiräte kümmert, sowie eine Jugendberatungsstelle. Ehemalige Teilnehmer/-innen von Idee in Comune unterstützen diese Projekte. Darüber hinaus haben unsere Jugendlichen staatliche Förderung erhalten, um eine Online Radio App zu entwickeln. Diese soll sowohl für Werbung für andere Europäische Projekte genutzt werden als auch die Jugendlichen dabei unterstützen, ihre Fähigkeiten in den Bereichen Interviewführung und Podcasten auszubauen.
Was ist das Neue an Europa in Comune?
Europa in Comune stellt die Weiterentwicklung von Idee in Comune dar. In Idee in Comune vereinten wir junge Menschen, die während der Dauer des Projekts an Fragestellungen aus ihren Gemeinden zu arbeiten. Gruppen aus den Städten Sarezzo und Cinisello Balsamo in der Lombardei, entschieden sich anschließend, auch nach dem Projektende weiterzumachen. Dieses Mal bildeten die Jugendlichen die Gruppen selbst; sie wurden Freunde und Kollegen, die sich gemeinsam mit lokalen Fragestellungen auseinandersetzen.
Was waren wichtige Aspekte für die Zusammenstellung dieser Gruppen und die Teambildung?
Idee in Comune wurde von Trainer/-innen und Mitarbeiter/-innen der Jugendhilfe organisiert und durchgeführt. Bei Europa in Comune wurden diese Aufgaben hingegen von ehemaligen Teilnehmer/-innen von Idee in Comune übernommen. Sie wurden selbst zu Trainer-/innen und übernahmen die Anleitung ihrer Gleichaltrigen im Projekt. Als Teil der Vorbereitung auf diese neue Verantwortung haben wir sie dabei unterstützt, ihre neu erworbenen Fähigkeiten zu vertiefen. Wir haben Simulationen an Schulen organisiert, bei denen unsere Teilnehmer/-innen die Durchführung übernahmen. Anschließend wurden die teilnehmenden Schüler/-innen um Feedback gebeten. Gegen Ende übernahmen die Teilnehmer/-innen alle Aufgaben selbst, einschließlich logistischer Aufgaben und Kaffeepausen. Sie haben sogar Schulungen für Erwachsene durchgeführt.
Was sind Tipps für Andere, die ähnliche Projekte planen oder durchführen?
Für Gruppen aus der non-formalen Bildung ist es eine gute Idee, sich mit bereits existierenden Organisationen in ihrer Region vertraut zu machen. Ein Projekt ohne Erfahrungen zu starten kann Risiken bergen. Bevor finanzielle Unterstützung beantragt wird, sollte die Verantwortung, die diese mit sich bringt, klar sein. Etablierte Organisationen kennen das bereits. Sie beziehen jedoch manchmal bei ihrer Projektplanung nicht die wahren Bedürfnisse junger Menschen ein. Daher ist es ratsam, den Fokus wieder darauf zu lenken, was junge Menschen wirklich brauchen, da die Projekte für sie gedacht sind.
Über das Projekt
Supported by:
Erasmus+ / Jugendpartizipationsprojekte
EU Jugendprogramm Priorität:
Partizipation am demokratischen Leben
Topic:
Weiterentwicklung des Jugendsektors
Sichtbarkeit:
Am Projekt haben mehr als 500 junge Menschen, verteilt auf vier Regionen in Italien, teilgenommen. Die Inhalte wurden auf den Onlinepräsenzen aller Beteiligten beworben, besonders in den Sozialen Medien.
Beteiligte Organisationen: