Als Lehrkraft an einer weiterführenden Schule nahm ich 2019 mit einer Gruppe Schüler/-innen am UrbEx Projekt teil. Mich hat sehr inspiriert, meinen Schüler/-innen dabei zusehen zu können, wie sie enthusiastisch und mit vollem Eifer mit Jugendlichen aus anderen Ländern in Kontakt traten und wie sie über ihre Stadtviertel mit einer Leidenschaft sprachen, die ich zuvor noch nie im Unterricht wahrgenommen hatte. Meine Schüler/-innen, und sogar diejenigen, die sich sonst kaum mündlich beteiligen, zeigten mir, dass eine aktive Teilhabe an anregenden Aktivitäten dazu beitragen kann, dass sich ihr Zugehörigkeitsgefühl und ihre Kommunikationsfähigkeiten verbessern. Auch jetzt reden sie noch über UrbEx und fragen mich oft, ob es nicht möglich wäre, das Projekt zu wiederholen!
Erkunde, lerne und führe Gespräche mit den Menschen vor Ort! Betrachte die Straßen, die du jeden Tag entlanggehst, aus einer neuen Perspektive! Stell dir vor, deine Stadt sei eine Person und verrate uns ihre Geheimnisse! Das waren nur einige der faszinierenden Anstöße aus dem UrbEx-Projekt, das kreative lokale Workshops in fünf Ländern sowie einen spannenden Jugendaustausch in Sizilien in Italien organisierte.
Partizipation ist das magische Prinzip aller Lernerfahrungen. Sie ist ein großer Teil der non-formalen Bildung! Es muss das Gefühl entstehen, Teil des Prozesses zu sein, um der Gemeinschaft etwas zurückzugeben.
Neugierig? Um mehr über das originelle und faszinierende Projekt zu erfahren, sprachen wir mit der Projektkoordinatorin, Paola Pizzo, und dem Projektleiter, Giorgio Barbato:
Was ist Stadterkundung im pädagogischen Kontext?
Es ist eine neue Art, junge Menschen einzubeziehen, indem sie wirklich über ihre Umgebung und ihre Beziehungen zu Gemeinden und Nachbarschaften nachdenken. Wenn wir mit dem Smartphone die Straße entlang gehen, ignorieren wir schnell die Außenwelt. Dabei passiert um uns herum so viel! Mehr Aufmerksamkeit für das Leben in der Stadt führt zu vielen Fragen. Wie viel wissen wir eigentlich wirklich über unseren Wohnort? Wer lebt hier? Warum? Wo beginnt unser Viertel und wo hört es auf? Und warum sehen verschiedene Stadtviertel so unterschiedlich aus? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, trafen sich in diesem Projekt junge Menschen und Jugendarbeiter/-innen aus fünf verschiedenen europäischen Städten. Sie verbrachten ein Jahr damit, neue und spaßige Arten der Stadterkundung zu planen, zu entwickeln und zu testen.
Wie habt ihr eure Partnerorganisationen ausgewählt?
Wir haben gezielt nach Organisationen geschaut, die aus ähnlichen urbanen Bereichen kommen und gleichzeitig eine Vielzahl von Interessengebieten haben. Einige waren eher erfahren im Bereich der Zusammenarbeit mit Schulen, während sich andere auf den Abbau von sozialer Inklusion oder die Bereitstellung von Plattformen für die digitale Kartierung konzentrierten. Unsere Jugendarbeiter/-innen kamen aus den Bereichen Pädagogik, Architektur, Graphikdesign, Archäologie und Anthropologie. Die Kombination ihrer Fachkenntnisse ermöglichte es uns, ein wirklich einzigartiges Programm anzubieten!
Wie war das Projekt strukturiert?
Wir begannen mit Planungstreffen mit unseren Partnerorganisationen und organisierten eine einwöchige Schulung, bei der jeder Partner die Verantwortung für einen Lerntag übernahm. Die Jugendarbeiter/-innen organisierten Gruppen aus jungen Menschen in fünf Städten (Albacete in Spanien; Ljubljana in Slowenien; London in England; Berlin in Deutschland und Palermo in Italien). Sie begannen, ihre Viertel zu erkunden und ihre Beobachtungen in einer digitalen Karte hochzuladen. Diese jungen Menschen verbrachten im Rahmen eines Jugendaustauschs gemeinsam eine Woche in Palermo. Dem Programm folgten Reflexions- und Feedbackrunden, damit die Jugendlichen erkennen konnten, welche Kompetenzen sie entwickelt hatten.
Wer waren die Jugendlichen, die am einwöchigen Jugendaustausch in Palermo in Italien teilnahmen?
Die meisten gingen noch zur Schule. Wir wollten vor allem junge Menschen ansprechen, die von sozialer Ausgrenzung bedroht waren. Daher luden wir zum Beispiel Jugendliche aus sozialen Wohnprojekten in London ein, während andere Teilnehmer/-innen einen Migrationshintergrund hatten. Die Gruppen wurden nach Palermo begleitet und während des gesamten Programms von den pädagogischen Fachkräften angeleitet, die die Methoden auf die jeweiligen Bedürfnisse der Gruppen abstimmten.
Welche Angebote habt ihr während des Jugendaustauschs durchgeführt?
Den Anfang machten wir damit, verschiedene Formen von Aktivitäten auszuprobieren, um die besten Möglichkeiten zur Einbeziehung junger Menschen zu finden. Aus unseren Favoriten erstellten wir einen Methodenkoffer. Die ‚Map my World‘-Übung fordert die Jugendlichen dazu auf, über eigene besondere Orte in der Welt nachzudenken und ihre Beziehungen zu diesen Orten genauer zu erkunden. ‚City Visionary‘ ist ein rollenspielbasiertes Brettspiel, das junge Menschen ermutigt, über Stadtentwicklung und Entscheidungsfindung nachzudenken, indem sie eine fiktive Umgebung mitgestalten. In ‚Secret Mission‘ geht es um die Jagd nach Hinweisen und das Sammeln von Informationen in verschiedenen Stadtgebieten. Anschließend wird über die Ergebnisse berichtet. Dieses Spiel war besonders hilfreich, um tiefergehende Diskussionen über versteckte Merkmale von Städten und ihren geheimen Bedeutungen zu starten und es ist super für Teambuilding.
Wie habt ihr die jungen Menschen für die Stadterkundung interessieren können?
Stadterkundungen sind großartige Aktivitäten, weil alle daran teilnehmen können. Während des Jugendaustauschs setzten wir Gruppenarbeit gezielt ein, um die Jugendlichen zu motivieren, neue Freunde zu finden und sich selbst zu organisieren. Da in den Gruppen verschiedene Nationalitäten zusammenkamen, mussten sie ihre Kommunikationsfähigkeiten entsprechend entwickeln. Jede Gruppe hatte auch italienischsprechende Mitglieder, so dass sie sich mit Einheimischen unterhalten konnten.
Was waren die größten Herausforderungen während des Projekts?
Der Jugendaustausch war recht groß. Es nahmen rund 50 Teilnehmer/-innen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen teil. Daher war es manchmal schwierig, Aktivitäten so zu gestalten, dass sie für alle ansprechend waren. Für Teilnehmer/-innen aus benachteiligten Verhältnissen war es zum Beispiel nicht leicht, sich an die neuen Lernmethoden zu gewöhnen. Genau diese Teilnehmer/-innen waren es jedoch, denen das Projekt am meisten gefallen hat und die sich während der Aktivitäten am meisten veränderten: Ihnen wurden ihr eigenes Potential und die Möglichkeiten für eine bessere Zukunft bewusst.
Wie hat die Bevölkerung vor Ort auf die Stadterkundungen reagiert?
Palermo stellte einen großartigen Ort für ein derartiges Projekt dar, da ein Großteil des Stadtlebens draußen in den Straßen passiert. Ältere Menschen sitzen vor den Bars, Frauen putzen und hängen Wäsche auf, die Kinder spielen zusammen auf den Plätzen. Als wir mit unseren Gruppen unsere Aktionen im Freien durchführten, waren die Menschen natürlich neugierig und wollten wissen, warum wir so merkwürdige Spiele spielten! Sie erfuhren mehr über das Projekt, als die Jugendlichen mit ihnen sprachen.
Könnt ihr die Kartierungsarbeit fortzusetzen?
Einige junge Menschen haben neue Aktionen ins Leben gerufen und sich für die Finanzierung eines Projekts des Europäischen Solidaritätskorps beworben. Wir planen auch eine zweite Runde von UrbEx mit einem größeren Fokus auf der Erweiterung unseres Netzwerks aus Bildungsorganisationen, die die gleichen Methoden anwenden.
Habt ihr Ratschläge für andere, die ein ähnliches Projekt ins Leben rufen möchten?
Habt Spaß! Lerninhalte vermitteln ist dann am effektivsten, wenn die Jugendlichen so viel Spaß haben, dass sie gar nicht merken, dass sie etwas gelernt haben. Sie merken erst bei der Evaluation, wie viel sie erreicht haben und was für eine tolle Erfahrung das war.
Projektergebnisse
Die durchgeführten Aktivitäten zur Stadterkundung wurden in einem Methodenkoffer gesammelt. Die kreativen Stadtkarten können auf der Webseite angeschaut werden.
Urban Exploration Methodenkoffer
Schau dir die faszinierenden Spiele, Methoden und Ideen an, die während des Projekts eingesetzt wurden.
Community Maps
Find mehr über die Kartierungsabenteuer der jungen Leute anhand der Karten raus, in denen sie ihre interessantesten Entdeckungen eingetragen haben.
Über das Projekt
Supported by:
Erasmus+ / Kooperationspartnerschaften
EU Jugendprogramm Priorität:
Inklusion und Diversität
Topic:
Weiterentwicklung des Jugendsektors
Sichtbarkeit:
25 Jugendarbeiter/-innen, fünf Gruppenleiter/-innen und 45 junge Menschen aus fünf Ländern haben während des einjährigen Projekts das Bewusstsein für ihr städtisches Umfeld geschärft. Um weiter zu verfolgen, was sie in ihren Stadterkundungen entdeckt hatten, erstellten sie den Hashtag #urbex4youth und teilten ihre einprägsamen und kreativen Ergebnisse auf Facebook, Instagram, YouTube und ihren Webseiten.
Beteiligte Organisationen:
BOND OF UNION SOCIETA‘ COOPERATIVA SOCIALE (IT), KULTURNO DRUSTVO PROSTOROZ (SL), DRAMBLYS (ES), COLINI-TRIPODI GBR (DE), MAPPING FOR CHANGE CIC (UK)